Zeitzeug:in

Heike

Heike sagt von sich selbst, dass sie „ein Kind des Systems“ gewesen ist. Sie studierte 5 Jahre mit einem Stipendium Chemie und lebte während des Studiums in einem Wohnheim. Obwohl sie von sich selbst sagt, dass sie politisch nicht auffällig war, war ihr aber zu jeder Zeit bewusst, in welchem System sie lebte. So habe sie stets zweimal darüber nachgedacht, was sie wem erzählte. Heike fasst es so zusammen: „Jeder hat in seiner eigenen DDR gelebt.“ Heike lernte einen Mann in Rostock kennen, in den sie sich verliebte. Dieser reiste schon im Juni 1989 offiziell aus der DDR aus, weil seinem Ausreiseantrag stattgegeben wurde. So trafen sich Heike und ihr Freund, der zu dem Zeitpunkt schon in Hamburg lebte, in Ungarn wieder und planten dort Heikes mögliche Flucht. Zu dem Zeitpunkt fand das Paneuropäische Picknick statt. Für Heike war ihr Studium sehr wichtig, so dass sie dieses vor der Flucht abschließen wollte. Nach dem Studienabschluss entschloss sie sich zur Flucht und hatte ihre Studienunterlagen schon zurechtgelegt, diese aber nicht mitgenommen. Schlussendlich hatte sie nur eine Visitenkarte dabei. Ihre Eltern wussten über ihre Fluchtpläne Bescheid, auch ihr engster Freund war eingeweiht. Mit dem Zug fuhr sie dann im September 1989 aus Schwerin zunächst nach Berlin. Von dort ging es anschließend mit dem Flugzeug nach Budapest. Dort angekommen, kam sie in die Botschaft der Bundesrepublik und wurde registriert. Aus der Botschaft kam sie mit einem Bus in das Aufnahmelager in Passau, wo sie sich aber zunächst nicht registrierte, weil sie sofort nach Hamburg zu ihrem Freund weiterreisen wollte. Von dort kam sie mit einem Bahnfreiticket nach Hamburg und traf gerade noch rechtzeitig auf ihren Freund, bevor dieser einen Tag später für seine Ausbildung für sechs Wochen auf große Fahrt ging. Da eine Registrierung in Hamburg nicht möglich war, musste sie anschließend für das Aufnahmeverfahren in das Notaufnahmelager Gießen. Zurück in Hamburg bekam sie nach einigen bürokratischen Hürden eine Promotionstelle für drei Jahre an der Universität. 

AUDIOFILES

Persönliche Dokumente/Quellen

Der Reisepass, den Heike in der Botschaft der Bundesrepublik in Budapest am 19.09.1989 erhalten hat (Copyright: Zeitzeugin Heike)

»Orte der (Un-)Sichtbarkeit« ist ein Kooperationsprojekt des Arbeitsfeldes Public History der Universität Hamburg und der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg. Es wird im Bundesprogramm »Jugend erinnert«, in der Förderlinie SED-Unrecht der Bundesstiftung Aufarbeitung gefördert.

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