Zeitzeug:in

Gitte

Für Gittes Familie war die Situation schon vor dem 17. Juni 1953 dramatisch. Ihr Vater saß wegen versuchten Verrats an der Republik zweieinhalb Jahre in Haft. Er kam ins Gefängnis, weil er einen Brief an den amerikanischen Radiosender RIAS schicken wollte, dies aber nie tat. In diesem Brief schrieb er, dass die SED — diese Abkürzung steht für Sozialistische Einheitspartei Deutschlands — bei demokratischen Wahlen nicht einmal 15 Prozent erhalten hätte. In der DDR stand nämlich bereits vor der Wahl das Ergebnis fest. Gewonnen hat dabei immer die SED. Gittes Vater spielte also mit seinem Brief darauf an, dass es in der DDR keine freien Wahlen gab. 

Das Hören des Radiosenders RIAS wurde von der Regierung nicht gerne gesehen und später sogar verboten. Dass Gittes Vater dann auch noch die Regierung kritisierte, brachte ihn ins Gefängnis. Nach seiner Zeit in Haft verschlechterte sich die Situation für die Familie weiter, da der Vater nicht mehr in seinen alten Beruf zurückkehren durfte. Er konnte nur noch Hilfsjobs annehmen und musste sich einmal in der Woche bei der Polizei melden. Auch sein Pass wurde ihm abgenommen. Gitte erzählt, dass er schon im Gefängnis die Entscheidung getroffen hätte, zu fliehen. Seine Familie sollte ihm einige Zeit später folgen. Am historischen 17. Juni 1953 war die Familie deshalb bereits im Notaufnahmelager in Berlin-Marienfelde. Von dort wurden sie nach Hamburg ausgeflogen, wo sie zunächst in der Lettow-Vorbeck-Kaserne in Hamburg Wandsbek unterkamen. 

AUDIOFILES

Persönliche Dokumente/Quellen

Das Bahnticket, mit dem Gitte und ihre Mutter nach Berlin kamen. Sie fuhren mit dem Zug über Leipzig nach Berlin. In Gittes Fotoalbum lautet die Bildunterschrift: „Unser Bahnticket in die Freiheit“ (Copyright: Zeitzeugin Gitte).

Gitte und ihr Opa vor dem Haus der Großeltern (Copyright: Zeitzeugin Gitte)

»Orte der (Un-)Sichtbarkeit« ist ein Kooperationsprojekt des Arbeitsfeldes Public History der Universität Hamburg und der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg. Es wird im Bundesprogramm »Jugend erinnert«, in der Förderlinie SED-Unrecht der Bundesstiftung Aufarbeitung gefördert.

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