Casa Marina - „Hagenbeck ist out, DDRLer angucken ist in…“
1989 lag die Casa Marina an der Großen Elbstraße 275A am Kühlhaus in Altona in der Nähe des Fischmarkts. Die Menschen blieben durchschnittlich zwei bis drei Monate auf dem Wohnschiff. Insgesamt konnten rund 600 bis 650 Personen auf der Marko Polo und der Casa Marina untergebracht werden. Die Nähe zu Fischmarkt und Hafen ließ aus den Wohnschiffen sehr schnell eine Attraktion werden. Menschen wurden angeguckt wie die Tiere im Zoo...
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Fischmarkt — „da war ja was los!“
Legendäre Marktschreier wie „Aale-Dieter“ oder „Bananenfred“, Musik und ein reichhaltiges Angebot an Lebensmitteln: der Fischmarkt war und ist ein Ort des Vergnügens und des Überflusses. Er ist dabei Start-oder Endpunkt vieler, auch touristischer, Ausflüge. Vor allem kurz nach dem Mauerfall wurde er für viele Menschen zu einem ganz besonderen Ort der Begegnung...
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Colibri - „einmal muss man das gesehen haben!“
Nachtleben, viele Menschen, Alkohol, Prostitution, bunte Lichter, Wochenende. Die Reeperbahn: Ein Ort zwischen alltäglichem Leben und großer Freiheit. Dabei ist die „Große Freiheit“ in Hamburg nicht nur eine Straße sondern ein Ort, an dem kleine Freiheiten möglich sind. Die Reeperbahn war für viele der Zeitzeug:innen ein Ort, den man in Hamburg einfach besucht haben muss...
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Casa Marina
Casa Marina - „Hagenbeck ist out, DDRLer angucken ist in…“
1989 lag die Casa Marina an der Großen Elbstraße 275A am Kühlhaus in Altona in der Nähe des Fischmarkts. Die Menschen blieben durchschnittlich zwei bis drei Monate auf dem Wohnschiff. Insgesamt konnten rund 600 bis 650 Personen auf der Marko Polo und der Casa Marina untergebracht werden. Die Nähe zu Fischmarkt und Hafen ließ aus den Wohnschiffen sehr schnell eine Attraktion werden. Menschen wurden angeguckt wie die Tiere im Zoo...
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Herzlich willkommen zu Tour vier am Fähranleger Dockland! Wir sehen von hier ein Bürogebäude, das aussieht wie ein Schiff. Was wir aber im vor uns liegenden Hafenbecken nicht mehr sehen, ist der Ort, um den es bei dieser Station gehen soll: Die Casa Marina - ein Schiff, das für viele zu einem vorübergehenden schwimmenden Zuhause wurde. Wir haben bei der Lettow-Vorbeck-Kaserne und in Finkenwerder bereits von der Besonderheit erfahren, die die Jahre 1953 und 1961 im Zusammenhang mit der Flucht aus der DDR mit sich brachten. Und wir haben an verschiedenen Stationen des Audiowalks gehört, warum Menschen aus der DDR flohen: 1953 war deshalb ein wichtiges Jahr, weil viele Menschen nach dem Volksaufstand das Land verlassen haben. Und 1961, vor allem kurz vor dem Bau der Mauer, flohen wieder sehr viele. Nach ihrem Bau war es nur noch mit spektakulären Fluchten möglich, die DDR ohne Genehmigung zu verlassen. Die Mauer sollte die Menschen in Ost- und Westdeutschland schließlich über 28 Jahre trennen. Das Jahr 1989 war ein Wendepunkt, den vor dem Fall der Mauer am 9. November kaum jemand für möglich gehalten hätte. Es gibt keinen richtigen Anfangspunkt für die Ereignisse, die zum Mauerfall geführt haben. Ein wichtiges Ereignis auf dem Weg zum Fall der Mauer war das sogenannte paneuropäische Picknick in Ungarn im August 1989. Ungarn hatte entschieden, seine gesicherten Grenzen Stück für Stück abzubauen. Am 19. August 1989 wurde symbolisch ein Stück der ungarisch-österreichischen Grenze in Sopron geöffnet. Bei dieser Öffnung gelang es mehreren hundert Menschen aus der DDR zu fliehen. Ab dem 11. September öffnete Ungarn seine Grenzen zu Österreich schließlich vollständig. Für Bürgerinnern und Bürger der DDR bedeutete dies, dass sie von nun an ungehindert über Ungarn und Österreich in die Bundesrepublik kommen konnten. Während der Ereignisse in Ungarn reisten zugleich viele Menschen nach Prag und verharrten dort teilweilse über Wochen in der Botschaft der Bundesrepublik. Erst nach vielen Verhandlungen durften sie über die DDR Richtung Westen ausreisen. Besonders bekannt ist in diesem Zusammenhang die Rede des damaligen Außenministers der Bundesrepublik Hans Dietrich Genscher vom 30. September 1989, in der er den Wartenden in der Botschaft mitteilte, dass sie ausreisen dürften. Lasst uns doch einmal kurz reinhören. Audio Genscher - „Balkonrede“ Ermutigt von diesen Ereignissen gingen Menschen in der DDR auf die Straße und demonstrierten für Grundrechte wie Reisefreiheit und freie Wahlen. Bei diesen sogenannten Montagsdemonstrationen kamen von Woche zu Woche immer mehr Menschen – am 9. Oktober 1989 waren es in Leipzig über 70.000 Menschen, die gegen das SED-Regime demonstrierten. Nur zwei Tage zuvor hatte die SED-Regierung noch den vierzigsten Jahrestag der DDR gefeiert. Überall in der DDR demonstrierten immer mehr Menschen für ihre Rechte, bis dann in der Nacht vom 9. November 1989 ein weiterer berühmter Halbsatz von Günter Schabowski, dem Sekretär für Informationswesen der DDR, fiel: „das tritt nach meiner Kenntnis…ist das sofort, unverzüglich.“ Dabei ging es um die Reisefreiheit für alle Bürgerinnen und Bürger der DDR. Von da an musste niemand mehr einen Grund für eine Reise in die Bundesrepublik angeben. In dieser Nacht „fiel“ die Berliner Mauer. Ab dem Sommer 1989 wagten viele die Flucht, nun auch mit Familien und kleinen Kindern. So kam auch Sarah Victoria mit ihrer Familie Anfang Oktober nach Hamburg. Nachdem sie zunächst einige Tage im Notaufnahmelager Gießen verbracht hatten, wurden sie nach ihrer Ankunft in Hamburg erst einmal in einer Wohnwagensiedlung untergebracht. Sarah Victoria erinnert sich an die ersten Eindrücke in Gießen und Hamburg. Audio Sarah Victoria Audio Sarah Victoria Immer mehr Menschen kamen im Jahr 1989 aus der DDR und aus Mittel- und Osteuropa in die Hansestadt. Auch zu dieser Zeit herrschte ein großer Mangel an Unterbringungsmöglichkeiten. Zuständig für die Unterbringung war – wie schon in den 1950er Jahren – die Sozialbehörde. Das Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt berichtet am 17. November 1989, dass die Geflüchteten, Zitat, „-in Wohnwagen, auf Campingplätzen, in umgebauten Fabriketagen, in aufgelassenen Kinderheimen, in Pensionen, sogar in einem ehemaligen Bordell auf der Reeperbahn“, untergebracht wurden. Auch in der Lettow-Vorbeck-Kaserne und in anderen Kasernen, die mittlerweile wieder von der Bundeswehr genutzt wurden, wurden einige Gebäude für Geflüchtete freigemacht. Trotz der Maßnahmen der Sozialbehörde reichte der Platz nicht aus – und das sollte sich auch in den nächsten Jahren nicht ändern. Die Stadt Hamburg kaufte zunächst zwei Schiffe, um auf ihnen Menschen unterzubringen. Sie wurden als Wohnschiffe genutzt oder zu sogenannten Flotels umgebaut: Die Marko Polo und die Casa Marina. Die Casa Marina wurde von 1989 bis 1993 genutzt. Nach 1993 kamen weitere Wohnschiffe hinzu, wie die Bibby Endeavour, die Bibby Altona hinzu und die Bibby Stockholm, die allesamt bis 2006 in Neumühlen lagen. Die Bibby Stockholm wurde auch im Jahr 2023 wieder für die Unterbringung geflüchteter Menschen vor der Küste Groß-Britanniens genutzt. Auch in Amsterdam sollen in Zukunft auf der „Ocean Majesty“ wieder geflüchtete Menschen untergebracht werden. Zwischen 2015 und 2019 wurden in Hamburg Menschen, die aus dem Bürgerkrieg in Syrien flohen, auf dem Wohnschiff „Transit“ untergebracht. Zurück in das Jahr 1989. Die Casa Marina lag an der Großen Elbstraße 275A am Kühlhaus in Altona in der Nähe des Fischmarkts. Sarah Victoria beschreibt das Ankommen auf dem Schiff. Audio Sarah Victoria Die Menschen blieben durchschnittlich zwei bis drei Monate auf dem Wohnschiff. Insgesamt konnten rund 600 bis 650 Personen auf der Marko Polo und der Casa Marina untergebracht werden. Auf den Schiffen war es – wie in den Durchgangslagern allgemein – sehr eng. Sarah Victoria berichtet von der Unterbringung ihrer Familie in der Schiffskabine, in der sie sich ein Hochbett mit ihrer Schwester teilte. Audio Sarah Victoria Aufgrund der Enge auf dem Schiff gerieten immer wieder Menschen aneinander. Um hier rechtzeitig einzuschreiten, setzte die Sozialbehörde direkt im Jahr 1989 einen 24-Stunden-Wachdienst an Bord der Casa Marina ein, der sich um die Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner kümmern und ungebetene Personen fernhalten sollte. Auf den Schiffen wurden viele Registrierungsmaßnahmen direkt durchgeführt, bei denen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter unterstützten. Es gab jeden Tag feste Essensausgabezeiten. Die Mahlzeiten wurden vom Arbeitersamariterbund – kurz ASB – ausgegeben. Erst später wurden Gemeinschaftsküchen eingebaut, in denen sich die Menschen auch selbst versorgen konnten. Die fünfjährige Sarah Victoria fand schnell Freunde auf der Casa Marina und konnte mit ihnen trotz Sprachbarrieren gut zusammen spielen. Audio Sarah Victoria 1990 errichtete die Sozialbehörde für die Kinder, die zu der Zeit noch auf den Schiffen lebten, einen provisorischen Spielplatz auf dem ehemaligen Steinlagerplatz vor dem „Lotsenhügel“. Obwohl Sarah Victoria findet, dass der Alltag auf der Casa Marina gut organisiert war und sie sogar Freunde gefunden hatte, fühlte sie sich dort zeitweise sehr unwohl. Warum erzählt sie uns jetzt. Audio Sarah Victoria Die Nähe zu Fischmarkt und Hafen ließ aus den Wohnschiffen sehr schnell eine Attraktion werden. Menschen wurden angeguckt, wie die Tiere im Zoo. Dies deckt sich auch mit einer aus heutiger Sicht befremdlichen Berichterstattung in den Medien. Sie gibt uns einen Einblick in die Wahrnehmung von geflüchteten Menschen aus der DDR im Jahr 1989. Genau zur Zeit von Sarah Victorias Ankunft erschien am 05. Oktober 1989 ein Artikel in der Hamburger Rundschau, aus dem wir nun einige Ausschnitte hören: Zitat „Hagenbeck ist out, DDRLer angucken ist in. […] Zum Beispiel auf dem Fischmarkt: Da pilgern die Kenner hinter die Kühlhallen, zum Wohnschiff Casa Marina für die sächsischen Boat-People. […] Hoffentlich zeigen sich dann auch welche am Fenster. Sollen ja so scheu sein. Da die Flüchtlingszüge und Trabbi-Kolonnen schon an den Grenzen bewunken werden, muß sich Hamburg etwas Besonderes einfallen lassen. Auf Booten verstaut können die DDRIer endlich auch bei den täglichen Hafenrundfahrten gezeigt werden.“ Gut zwei Monate später berichtet der Spiegel am 11. Dezember 1989 in einem ähnlichen Ton: Zitat „Mittlerweile kennt der Übersiedler alle Sehenswürdigkeiten der Hansestadt; in Terminnot ist er geraten, seit er selbst auf ‚einer echten Touristenattraktion wohnt, der Casa Marina. […] Geduldig standen die Spaziergänger im Nieselregen und versuchten vom Kai aus einen Blick auf ‚die Zonis‘ zu erhaschen. Doch die meisten Übersiedler blieben in ihren Kajüten. ‚Man sieht ja gar keine’, sagte eine Passantin im Regencape enttäuscht zu ihrem Begleiter, der sogleich eine Erklärung parat hatte: ‚Na ja, die sollen ja auch sehr scheu sein‘.“ Die Erinnerungen von Sarah Victoria auf der einen und die Auszüge aus den Zeitungsartikeln auf der anderen Seite zeigen den Zwiespalt auf, dem sich die ankommenden Menschen ausgesetzt sahen: zum einen kamen viele Menschen zu den Wohnschiffen, um Spenden abzugeben und Ihre Hilfe und Unterstützung anzubieten. Zum Anderen kamen viele aber auch aus Sensationslust, einfach nur, um einen Blick auf die Menschen auf dem Schiff zu erhaschen, die in Ruhe ankommen wollten. Diese verwirrenden Eindrücke nahm auch Sarah Victoria schon als kleines Kind wahr. Wie würdest du Dich dabei fühlen, unter stetiger Beobachtung in einer neuen Stadt anzukommen? Könntest du auf engem Raum mit vielen Menschen auf einem Schiff zusammenleben? Wie ging es für Sarah Victoria und ihre Familie weiter? Unterstützung erlebten sie nach ihrem rund sechswöchigen Aufenthalt auf der Casa Marina auch durch ihren Cousin. Dieser verschaffte ihnen eine Wohnmöglichkeit in einer Kleingartensiedlung in Groß Borstel. Audio Sarah Victoria Als Sarah Victoria in den Kindergarten nach Alsterdorf kam, erfuhr sie dort aber auch Ablehnung. Besonders von ihren Erzieherinnen wurde sie aufgrund ihrer Herkunft und wegen ihres Dialekts ausgegrenzt. Sarah Victoria erinnert sich gut an diese Situationen und berichtet von ihren Erfahrungen im Kindergarten, die sie bis heute beschäftigen. Audio Sarah Victoria Diskriminierung von Menschen, die aus der DDR nach Hamburg gekommen sind, haben viele der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen über die Jahre erfahren. Viele erzählen, dass sie in der Anfangszeit vor allem wegen ihrer Sprache als anders wahrgenommen und abwertend behandelt wurden. Dass die Ausgrenzung aufgrund von Sprache nicht erst 1989 zum Thema wurde, zeigen die Geschichten von Gitte, Ingeborg und Manfred, bei denen der sächsische Dialekt schon in den 1950er und 60er eine Rolle spielte. Audio Gitte Audio Ingeborg Audio Manfred E. Auch wenn Heike selbst keine negativen Erfahrungen aufgrund ihrer Sprache machen musste, stellt sie sich selbst die Frage, wie es wohl wäre, wenn man einen sächsischen Dialekt hat und ob man dann nicht doch mehr Ablehnung erfahren würde - alleine dadurch, dass man durch den Dialekt als anders, als fremd markiert wird. Audio Heike Bei den gehörten Beispielen ging es nur um Dialekte. Dialekte, die auch in Hamburg mühelos verstanden wurden. Diese haben aber schon gereicht, dass Kinder wie Sarah Victoria ausgrenzt wurden und Ablehnung erfahren mussten. Hast du auch schon einmal Erfahrungen damit gemacht? Wir haben an dieser Station viel darüber erfahren, wie Menschen hier in der Nähe zum Fischmarkt auf Wohnschiffen untergebracht waren, wie sie aufgenommen, aber auch wie sie ausgegrenzt wurden. Der Fischmarkt wurde auch für Sarah Victoria zu einem wichtigen Ort, den sie gerne besuchte. Und da wir schon mal in der Nähe sind: Auf gehts zum Fischmarkt! Dazu könnt ihr entweder auf der Großen Elbstraße hinlaufen oder ein letztes Mal mit uns die Fähre 62 bis zum Fischmarkt nehmen. Wir hören uns dort direkt hinter der Fischauktionshalle wieder.
Fischmarkt
Fischmarkt — „da war ja was los!“
Legendäre Marktschreier wie „Aale-Dieter“ oder „Bananenfred“, Musik und ein reichhaltiges Angebot an Lebensmitteln: der Fischmarkt war und ist ein Ort des Vergnügens und des Überflusses. Er ist dabei Start-oder Endpunkt vieler, auch touristischer, Ausflüge. Vor allem kurz nach dem Mauerfall wurde er für viele Menschen zu einem ganz besonderen Ort der Begegnung...
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Nicht weit von dem Ort entfernt, an dem die Casa Marina lag, befinden wir uns nun auf dem berühmten Hamburger Fischmarkt. Für Sarah Victoria und ihre Familie war der Fischmarkt ein wichtiges Ausflugsziel. Auch nach ihrem Umzug von der Casa Marina in die Kleingartensiedlung nach Groß Borstel waren sie häufig in Altona unterwegs. Audio Sarah Victoria Wir stehen nun hinter der Fischauktionshalle. Direkt vor uns auf der rechten Seite sehen wir das Gebäude, in dem Günter sein erstes Büro hatte. Von dort aus konnte er auf den Fischmarkt und zum Trockendock der Werft Blohm&Voss schauen. Audio Günter In der Sommersaison ist der Fischmarkt jeden Sonntag von 5 bis 9:30 Uhr geöffnet und lädt dazu ein, frische Lebensmittel zu kaufen oder einfach die Atmosphäre am Hafen zu genießen. Ob Nachtschwärmer oder Frühaufsteher: hier finden alle zusammen. Fast alle. Richard und Peter zog es nicht dorthin. Richard war noch nie auf dem Fischmarkt, da er als Fahrer für eine Bäckerei die Woche über immer sehr früh aufstehen musste. Peter war nur da, weil man seiner Meinung nach einmal auf dem Fischmarkt gewesen sein musste. Sonst war es ihm einfach zu früh. Eckhard geht nur noch auf den Fischmarkt, wenn er Besuch bekommt. Audio Richard Audio Peter Audio Eckhard Wart ihr schonmal am Sonntagmorgen auf dem Fischmarkt? Marktschreier wie Aale-Dieter und Bananen-Fred sind Attraktionen für die Menschen, die von nah und fern hierherkamen und immer noch kommen. Für Manfred E. war der Fisch, den man damals fangfrisch vom Kutter kaufen konnte, ein Grund den Fischmarkt zu besuchen. Audio Manfred E. Auch Eckhard mag die Atmosphäre auf dem Fischmarkt. Für ihn ist Aale-Dieter das beste Beispiel gegen das Vorurteil, dass Norddeutsche humorlos seien und nicht viel reden würden. Audio Eckhard Dass bei allem Vergnügen der Warenüberfluss für einige überfordernd sein konnte, hören wir jetzt von Eckhard. Er berichtet von dem Besuch seiner Oma, die zum ersten Mal so ein reichhaltiges Warenangebot sah. Als Rentnerin waren ihr Besuchsreisen aus der DDR nach Hamburg gestattet. So konnte Eckhard ihr unter anderem die Reeperbahn und den Fischmarkt zeigen. Audio Eckhard Einige Lebensmittel wie Bananen gab es in der DDR selten. Wenn es sie zu kaufen gab, dann war es etwas ganz Besonderes und man musste lange dafür anstehen. Für Evelin waren sie deshalb etwas sehr Wertvolles. Umso geschockter war sie, als sie direkt nach ihrer Flucht den Fischmarkt besuchte: Der Überfluss und der Umgang mit Lebensmitteln machten ihr sehr zu schaffen. Audio Evelin Für Evelin ist die Verschwendung auf dem Fischmarkt heute noch ein wichtiges Thema, auch wenn sie den Besuch dort mittlerweile genießen kann. Audio Evelin Wie wir gerade gehört haben, war der Fischmarkt für viele ein touristisches Highlight. Dies zeigte sich auch nach dem Mauerfall, als viele Menschen aus der DDR die Hansestadt besuchten und Orte wie den Fischmarkt dabei erleben konnten. Das erste Wochenende nach dem Mauerfall war ein besonderes. In ganz Hamburg fuhren Trabis und Wartburgs durch die Stadt. Es wurden kostenlos heiße Getränke und Speisen verteilt. Bürgerinnen und Bürger aus der DDR durften gratis mit Bussen und Bahnen fahren. Überall gab es etwas zu entdecken und ganz Hamburg war auf den Beinen oder wie ein Autor des Hamburger Abendblattes sich 25 Jahre später erinnerte: „Händler auf dem Fischmarkt machen das Geschäft ihres Lebens. Südfrüchte, exotische Pflanzen und Jeans aus Fernost, werden ihnen praktisch aus den Händen gerissen“. Von ganz ähnlichen Eindrücken berichtet auch Eckhard. Audio Eckhard Eckhard und Evelin bekamen nach der Grenzöffnung nahezu jedes Wochenende Besuch von Familie und Freunden, mit denen sie gemeinsam auf den Fischmarkt gingen. Audio Eckhard Audio Evelin Das vielfältige Warenangebot war dabei auch für Evelins Schwägerin ein sehr eindrückliches Erlebnis und stand im direkten Kontrast zu der Warenauswahl in der DDR. Audio Evelin Für Evelin war aber vor allem die tolle Atmosphäre auf dem Fischmarkt besonders. So berichtet sie, dass die Bands in der Fischauktionshalle Songs von Künstlerinnen und Künstlern aus der DDR und der Bundesrepublik spielten. Unbekannte Menschen lagen sich in den Armen. Lieder von Wolf Biermann wurden gespielt. Biermann war ein Künstler aus der DDR, der 1976 ausgebürgert wurde, das heißt er durfte nach einem Konzert in der Bundesrepublik nicht mehr in die DDR zurückkehren. Nach seiner Ausbürgerung schrieb er weiterhin kritische Texte über die DDR und war damit für viele Menschen eine wichtige Stimme. Audio Evelin Der Fischmarkt war schon immer, aber kurz nach dem Mauerfall ganz besonders, ein Ort des Zusammenkommens. Hier trafen sich Menschen, die vorher durch eine Grenze getrennt waren. Wir haben den Fischmarkt als einen Ort des Vergnügens, aber auch des Überflusses kennengelernt. Welches Bild habt ihr nach den Eindrücken der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen vom Fischmarkt? Haben euch Aussagen überrascht? Macht euch nun zu Fuß auf den Weg zur Reeperbahn. Wir hören uns dann in gut 15 Minuten auf der Straße Große Freiheit vor dem Colibri wieder.
Colibri/Reeperbahn
Colibri - „einmal muss man das gesehen haben!“
Nachtleben, viele Menschen, Alkohol, Prostitution, bunte Lichter, Wochenende. Die Reeperbahn: Ein Ort zwischen alltäglichem Leben und großer Freiheit. Dabei ist die „Große Freiheit“ in Hamburg nicht nur eine Straße sondern ein Ort, an dem kleine Freiheiten möglich sind. Die Reeperbahn war für viele der Zeitzeug:innen ein Ort, den man in Hamburg einfach besucht haben muss...
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Nachtleben, viele Menschen, Alkohol, Prostitution, bunte Lichter, Wochenende. Die Reeperbahn: Ein Ort zwischen alltäglichem Leben und großer Freiheit. Dabei ist die „Große Freiheit“ in Hamburg nicht nur eine Straße sondern ein Ort, an dem kleine Freiheiten möglich sind. Wir stehen direkt vor einer Plakette, die auf den berühmten Starclub hinweist. Hier traten zur Eröffnung 1962 die Beatles auf. Günter kam im Jahr 1967 nach Hamburg und besuchte den Starclub das erste Mal im Jahr darauf. Audio Günter An den Landungsbrücken haben wir schon von Manfreds Geschichte und dem Sehnsuchtsort Hafen gehört. Jetzt erzählt er uns, warum auch die Reeperbahn schon vor seiner Ankunft in Hamburg durch seinen Vater für ihn eine besondere Bedeutung erlangte. Audio Manfred E. Gleichzeitig hat der Kiez aber nicht nur positive Seiten, berichten Eckhard und Günter. Audio Eckhard Audio Günter Die Reeperbahn war für viele der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen ein Ort, den man in Hamburg einfach besucht haben muss. Das fand auch Peter. Bei ihm hatte der Besuch mit Freunden aus der Uni in einem Stripclub keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Audio Peter Ganz anders war es bei Manfred E., der seinen Cousins aus der DDR gerne die Reeperbahn zeigte. Audio Manfred E. Als Manfred dann schon in Hamburg arbeitete, nahm er immer wieder Gäste seiner Firma mit auf die Reeperbahn. Audio Manfred E. Die Reeperbahn ist damals wie heute touristischer Hotspot. Stadtführungen wurden für ein internationales Publikum schon in den 1970ern angeboten. Sie endeten oft an dem Ort, vor dem wir uns gerade befinden: dem Colibri. Das Hamburger Abendblatt schrieb 1978 in dem Artikel „Für 70 Mark (fast) alles inklusive - mit Touristen-Bus auf dem Kiez unterwegs“: „Noch ein kurzer Bummel, die ‚Freiheit’ rauf und runter, dann taucht das Touristenhäuflein ins Halbdunkel des ‚Colibri’.“ Schon in einem Reiseführer von 1971 wird berichtet, dass das Colibri Zitat „an allen Wochentagen und zu allen Nachtstunden bis auf den letzten Schemel vorwiegend von Herren, besetzt [war]“. Als Evelin 1973 hochschwanger nach ihrer Flucht in Hamburg ankam, wollte ihr Verlobter Peter ihr so viel wie möglich von der Stadt zeigen. So gingen beide auch ins Colibri. Audio Evelin Hier erlebte Evelin eine - wie sie sagt - „scharfe Show“, die sie aber kein zweites Mal sehen wollte. Auch Manfred E. war im Colibri - allerdings mit seiner Mutter. Audio Manfred E. Wir haben nun gehört, dass die Reeperbahn ein must-see war. In Hamburg anzukommen, hieß auch touristische Orte wie die Landungsbrücken, den Fischmarkt und die Reeperbahn zu besuchen. Viele Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zeigten Freunden und Verwandten, die aus der DDR zu Besuch kommen konnten, die Reeperbahn. Daran hat sich kurz nach dem Mauerfall nichts geändert. Manfred E. erzählt uns nun von dem Besuch seiner Freunde. Audio Manfred E. Vor allem Manfred E. und Evelin verbinden mit dem Colibri eine bewegte Geschichte. Nach vielen Betreiberwechseln ist das Lokal heute eine Karaokebar. Wer mehr erfahren möchte: auf der Website und dem Instagramkanal des Colibri wird mit alten Fotos an die Geschichte des Clubs erinnert. Auch das Schild über dem Eingang versetzt uns in bereits vergangene Zeiten zurück. Heute steht der Kiez vielmehr für feiern und durchtanzte Nächte, die vielleicht beim Karaoke im Colibri beginnen und auf dem Fischmarkt enden. Was denkt ihr: Warum war die Reeperbahn für die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen so ein Anziehungspunkt? Was macht sie heute aus? Braucht es vielleicht solche Orte der kleinen Freiheiten, damit man das Gefühl hat, in einer Stadt ankommen zu können? Hier endet Tour vier. Die letzte Tour des Audiowalks führt uns zuerst an den Hauptbahnhof und damit zu Geschichten von Ankunft und Abschied.