Hauptbahnhof - „Ich bin in der Freiheit, was kann mir hier noch passieren?“
Der Hamburger Hauptbahnhof ist einer Bahnhöfe mit einem der höchsten Passagieraufkommen in Deutschland. Hier sehen wir Menschen, die sich begrüßen und verabschieden — aber meistens kennen wir ihre Geschichten nicht. Einige dieser Geschichten hören wir nun und erfahren, dass der Bahnhof für mehr stehen kann als unbeschwertes Reisen. Für die Zeitzeug:innen ist es ein Ort, der auch für den Umgang der DDR mit seinen Bürger:innen steht. In der DDR konnte man sich nicht einfach in Rostock in den Zug setzen und seine Familie in Hamburg besuchen. Uneingeschränktes Reisen war zu keiner Zeit möglich. Für Menschen, die aus der DDR nach Hamburg kamen, weil sie aus politischer Haft entlassen wurden, geflohen sind oder ihren Eltern hinterherreisen durften, war ein Bahnhof nicht nur Ort des Ankommens, sondern der Startpunkt in ein neues Leben in Freiheit. Die Ankunft an einem Bahnhof kann also mit ganz unterschiedlichen Geschichten verbunden sein, damals wie auch heute...
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Schauspielhaus —„Das war wirklich mein größtes Theaterereignis“
Das Schauspielhaus wurde am 15. September 1900 eröffnet. Für einige der Zeitzeug:innen aus den 1950er und 60er Jahren war es ein wichtiger Ort, mit dem sie viele Erinnerungen vor allem an ihre Anfangszeit in Hamburg verknüpfen. Diese Geschichten drehen sich alle um die Aufführungen von Gustaf Gründgens. Die Zeitzeug:innen waren bei ihren Besuchen im Schauspielhaus etwa im gleichen Alter. Sie waren junge Menschen, die den berühmten Gründgens unbedingt einmal im Theater sehen wollten…
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CVJM - „das war immer unsere Anlaufstelle“
Der CVJM Hamburg wurde am 1. Januar 1890 gegründet und hieß zunächst „Christlicher Verein Junger Männer“. Mit seiner Arbeit unterstützte der Verein zunächst junge Männer mit Freizeitangeboten und der Möglichkeit, sich in den Häusern des CVJM auszutauschen. Neben der ursprünglichen Vereinsarbeit wurden nach dem Zweiten Weltkrieg auch Heimkehrer aus dem Krieg und später geflüchtete Menschen zunächst aus der SBZ und dann auch aus der DDR aufgenommen. Dabei reichte die Unterstützung von ersten Übernachtungsmöglichkeiten bis zu regelmäßigen Treffen und gemeinsamen Reisen und Unternehmungen bei sogenannten Gildentreffen. Aber auch bei der Suche nach geeigneten Studienmöglichkeiten oder Arbeitsstellen war der CVJM tätig…
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Die Alster — „da war ich mittendrin, da war ich Hamburgerin, da war es passiert!“
Am Baumwall finden Alster und Elbe dann zueinander. Begonnen haben wir ganz in der Nähe – an der Elbe, am Platz der Deutschen Einheit. So endet die Tour mit der Verbindung zweier Flüsse, die ineinander übergehen – genau wie die Stationen des Audiowalks und die Geschichten, die wir bis hier hin gehört haben. Manchmal sind es kleine Alltagssituationen, kurze Erinnerungen, Gerüche, einzelne Bilder, bei denen man wie Marlen feststellt: „da war ich Hamburgerin, da war es passiert“. Bei Henriette war es das Hören eines Songs, bei Grit der Geruch des Hauptbahnhofs und bei Marlen das Segeln auf der Alster. Es gibt nicht die eine Erinnerung, es gibt auch nicht die eine Situation, die ein Gefühl von Angekommen-Sein auslöst – es sind die vielen kleinen Ausschnitte aus der eigenen Lebensgeschichte. Orte sind nicht einfach nur Orte. Die Geschichten von Menschen, die zu diesen Orten eine Verbindung haben, machen aus alltäglichen oder unauffälligen Orten besondere Orte...
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Hauptbahnhof
Hauptbahnhof - „Ich bin in der Freiheit, was kann mir hier noch passieren?“
Der Hamburger Hauptbahnhof ist einer Bahnhöfe mit einem der höchsten Passagieraufkommen in Deutschland. Hier sehen wir Menschen, die sich begrüßen und verabschieden — aber meistens kennen wir ihre Geschichten nicht. Einige dieser Geschichten hören wir nun und erfahren, dass der Bahnhof für mehr stehen kann als unbeschwertes Reisen. Für die Zeitzeug:innen ist es ein Ort, der auch für den Umgang der DDR mit seinen Bürger:innen steht. In der DDR konnte man sich nicht einfach in Rostock in den Zug setzen und seine Familie in Hamburg besuchen. Uneingeschränktes Reisen war zu keiner Zeit möglich. Für Menschen, die aus der DDR nach Hamburg kamen, weil sie aus politischer Haft entlassen wurden, geflohen sind oder ihren Eltern hinterherreisen durften, war ein Bahnhof nicht nur Ort des Ankommens, sondern der Startpunkt in ein neues Leben in Freiheit. Die Ankunft an einem Bahnhof kann also mit ganz unterschiedlichen Geschichten verbunden sein, damals wie auch heute...
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Willkommen zurück bei den „Orten der (Un-)Sichtbarkeit“! Die letzte Tour unseres Audiowalks beginnt im Hauptbahnhof, danach geht es zum Schauspielhaus und zum CVJM und damit an die Alster, an der unser Audiowalk endet. Wir stehen auf dem Balkon hinter dem Restaurant mit dem gelben M, von dem wir einen guten Blick auf die Gleise des Hamburger Hauptbahnhofs haben. Kein anderer Bahnhof in Deutschland hat täglich ein so hohes Passagieraufkommen wie der Hamburger Hauptbahnhof. Manfred K. hat den Bahnhof schon bei seiner Ankunft 1955 als sehr lebhaften Ort wahrgenommen. Audio Manfred Für Richard, der auch in den 1950er Jahren angekommen ist, war die Ankunft am Hauptbahnhof und dann am Dammtor direkt mit dem Gefühl verbunden, aus dieser Stadt nicht mehr weg zu wollen. Audio Richard Nehmt euch doch einmal einen Moment Zeit und beobachtet die Menschen auf den Bahnsteigen: Was verbindet ihr mit dem Hauptbahnhof? Ist ein Bahnhof für euch eher ein Ort des Ankommens oder des Aufbruchs? Für Manfred E. ist der Hauptbahnhof beides. Er erzählt uns vom Ankommen von Familie und Freunden ab 1974. Audio Manfred Reiseerleichterungen zwischen der DDR und der Bundesrepublik gab es seit einem Grundlagenvertrag aus dem Jahr 1972. Durch diese Reiseerleichterungen für DDR-Bürgerinnen und Bürger war es für Manfreds Freunde und Familie möglich, in die Bundesrepublik und damit nach Hamburg zu reisen. Die DDR und die Bundesrepublik hatten diesen Vertrag in Vorbereitung auf die KSZE-Konferenzen ausgehandelt und unterschrieben. Aber was bedeutet eigentlich KSZE? KSZE ist die Abkürzung für „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“. Seit 1972 verhandelten 35 Staaten 10 Grundregeln, wie sie in Zukunft miteinander umgehen wollten. Dazu gehörte, dass alle Staaten Menschenrechte und Grundfreiheiten anerkennen. So spielte auch das Thema Reisen und Reisefreiheit eine wichtige Rolle. Die Verhandlungen waren nicht einfach und dauerten über einen langen Zeitraum an, bis schließlich am 1. August 1975 die KSZE-Schlussakte unterzeichnet wurde. Obwohl die DDR sich mit ihrer Unterschrift offiziell verpflichtete, Menschenrechte anzuerkennen, änderte sich im Alltag für die Menschen in der DDR kaum etwas und die Unfreiheit einer Diktatur war weiterhin überall zu spüren. Der Hauptbahnhof ist auch für Heike mit besonderen Emotionen verbunden. Im September 1989 konnte ihr Freund sie dort abholen. Gerade noch rechtzeitig, denn er musste einen Tag später, nachdem Heike in der Bundesrepublik ankam, für seine Seefahrtausbildung für sechs Wochen auf große Fahrt gehen. Audio Heike Aber nicht nur viele Fernverkehrszüge und Regionalbahnen starten und kommen im Hauptbahnhof an. Der Hauptbahnhof ist auch ein Knotenpunkt für die S- und U-Bahnlinien der Stadt. Cornelia, die auch 1989 angekommen ist, wird von dem Geruch in S- und U-Bahnen immer wieder in die Zeit ihrer Ankunft zurückversetzt. Audio Cornelia Dass ein Bahnhof auch ein ganz besonderer Ort des Wiedersehens sein kann, zeigen die Geschichten der Geschwister Grit und Charlotte genauso wie die von Sebastian. Ihre Eltern wurden aus politischer Haft entlassen und kamen vor den Kindern in Hamburg an. Wie wir schon im Hanseviertel erfahren haben, waren die Eltern von Grit und Charlotte mehrere Jahre in politischer Haft. Sie kamen im Juli 1981 in Hamburg an, nachdem sie freigekauft wurden. Vorher waren sie im Notaufnahmelager Gießen. Grit und Charlotte lebten während der Haftzeit der Eltern bei ihrer Oma in Rostock. Bis zuletzt war unklar, wann und ob die Geschwister die DDR verlassen und zu ihren Eltern nach Hamburg dürfen. Erst kurz vor Weihnachten erhielten sie die Genehmigung zur Ausreise. Am 23. Dezember 1981 konnte sich die Familie im Hauptbahnhof endlich wieder in die Arme schließen. Audio Grit Ganz ähnlich war es bei den Eltern von Sebastian. Wie Grits und Charlottes Eltern kamen auch Sebastians Eltern in politische Haft. Der Tag der Inhaftierung war bei beiden Familien jeweils einen Tag vor dem Geburtstag der Väter. Auch die Eltern von Sebastian wurden freigekauft und kamen über das Notaufnahmelager Gießen nach Hamburg. Wolfram berichtet von seiner Ankunft am Hauptbahnhof im März 1984. Audio Wolfram & Sebastian Sebastian und seine Schwester durften im Mai 1984 zu ihren Eltern nach Hamburg ausreisen und kamen im Bahnhof Altona an. Von diesen Eindrücken berichtet er uns nun. Audio Sebastian Schaut noch einmal auf die Bahnsteige. Vielleicht seht ihr auch gerade Menschen, die sich begrüßen oder verabschieden. Wir sehen Menschen, aber meistens kennen wir ihre Geschichten nicht. Einige dieser Geschichten haben wir eben gehört und haben dabei erfahren, dass der Bahnhof für mehr stehen kann als unbeschwertes Reisen. Für unsere Zeitzeuginnen und Zeitzeugen ist es ein Ort, der auch für den Umgang der DDR mit seinen Bürgerinnen und Bürgern steht. In der DDR konnte man sich nicht einfach in Rostock in den Zug setzen und seine Familie in Hamburg besuchen. Uneingeschränktes Reisen war zu keiner Zeit möglich. Wie wir auf unseren Touren bereits gehört haben, endete auch der Versuch, das Land dauerhaft verlassen zu wollen, für einige in politischer Haft. Für Menschen, die aus politischer Haft entlassen wurden, war dann ein Bahnhof nicht nur Ort des Ankommens, sondern der Startpunkt in ein neues Leben in Freiheit. Die Ankunft an einem Bahnhof kann also mit ganz unterschiedlichen Geschichten verbunden sein, damals wie heute. Im Jahr 2015 flohen Menschen in Folge des Bürgerkrieges in Syrien nach Deutschland. 2022 flohen Menschen vor dem Krieg aus der Ukraine. Viele von diesen Menschen kamen auch am Hamburger Hauptbahnhof an. Nach Tagen, Wochen oder sogar Monaten der Flucht empfing sie der Bahnhof mit vielen neuen und unbekannten Eindrücken. Hier gab es Hilfs- und Unterstützungsangebote für das erste Ankommen in Hamburg. Auch heute noch steht ein Bahnhof also für Aufbruch und Abschied. Abschied von Familie, Strukturen, Lebensverhältnissen und Aufbruch in eine vielleicht ungewisse Zukunft. Wir verlassen den Hauptbahnhof nun über den Ostausgang und machen uns auf den Weg zum Heidi-Kabel-Platz. Dort
Schauspielhaus
Schauspielhaus —„Das war wirklich mein größtes Theaterereignis“
Das Schauspielhaus wurde am 15. September 1900 eröffnet. Für einige der Zeitzeug:innen aus den 1950er und 60er Jahren war es ein wichtiger Ort, mit dem sie viele Erinnerungen vor allem an ihre Anfangszeit in Hamburg verknüpfen. Diese Geschichten drehen sich alle um die Aufführungen von Gustaf Gründgens. Die Zeitzeug:innen waren bei ihren Besuchen im Schauspielhaus etwa im gleichen Alter. Sie waren junge Menschen, die den berühmten Gründgens unbedingt einmal im Theater sehen wollten…
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Wir stehen nun direkt vor dem Bieberhaus. An diesem Ort war der Sitz der Sozialbehörde, von der wir bereits bei der Lettow-Vorbeck-Kaserne und der Casa Marina gehört haben. Von hier aus wurde seit den 1950er Jahren unter anderem die Unterbringung geflüchteter Menschen koordiniert und organisiert. In der Kleiderstelle der Sozialbehörde wurden Kleiderspenden ausgegeben. Daran erinnert sich Henriette. Audio Henriette Auf der gegenüberliegenden Straßenseite seht ihr das Schauspielhaus. Es wurde am 15. September 1900 eröffnet. Für einige der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus den 1950er und 60er Jahren war das Schauspielhaus ein wichtiger Ort, mit dem sie viele Erinnerungen vor allem an ihre Anfangszeit in Hamburg verknüpfen. Gitte etwa verbindet die Besuche dort mit einem wichtigen Menschen der Zeitgeschichte: Marcel Reich-Ranicki. Reich-Ranicki war bis zu seinem Tod 2013 ein bedeutender Literaturkritiker, Autor und Publizist. Audio Gitte In den 1950ern und 1960er Jahren verband man mit dem Deutschen Schauspielhaus vor allem den Namen Gustaf Gründgens. Gustaf Gründgens ist eine sehr umstrittene Figur, was vor allem auf sein Wirken in der Zeit des Nationalsozialismus zurückzuführen ist, in der er vom System profitierte. Er war Schauspieler und ab 1955 Intendant am Schauspielhaus in Hamburg. Durch seine Inszenierungen klassischer Stücke mit bekannten Schauspielerinnen und Schauspielern erregte er in der Theaterwelt großes Aufsehen. Bei Presse und Publikum war er gleichermaßen beliebt. Genau von dieser Zeit berichtet Ingeborg. Audio Ingeborg Mit seiner Aufführung des Stückes „Faust“ von Johann Wolfgang von Goethe feierte Gustaf Gründgens große Erfolge – auch über das Hamburger Theater hinaus. Er hatte die Hauptrolle des Mephisto in „Faust“ schon viele Male auf unterschiedlichen Bühnen selbst gespielt, bevor er das Stück in Hamburg inszenierte. Hier übernahm der Schauspieler Will Quadflieg, den Ingeborg gerade erwähnte, die Rolle des „Faust“. Marlen und Peter ist die Zeit von Gründgens nachhaltig in Erinnerung geblieben. Audio Marlen Audio Peter Manfred K. war zu Beginn seiner Zeit in Hamburg oft im Schauspielhaus. Er erinnert sich an die Premiere von Faust im Jahr 1957 und daran, wie aufgeregt er war. Audio Manfred K. Für Manfred war das vielfältige Kulturangebot einer der Gründe, nach Hamburg zu kommen. Wie wir bereits erfahren haben, war er selbst in einer Schauspielgruppe in der Lettow-Vorbeck-Kaserne aktiv. Die Studenten, die das Ganze dort organisierten, hatten Kontakte zum Schauspielhaus, sodass Manfred öfter Freikarten für das Theater erhielt. Audio Manfred K. Um Gustaf Gründgens drehen sich viele Geschichten der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Sie alle waren bei ihren Besuchen im Schauspielhaus etwa im gleichen Alter. Sie waren junge Menschen, die den berühmten Gründgens unbedingt einmal im Theater sehen wollten. Manfred sagt sogar, dass es die Kultur war, die ihn nach Hamburg gezogen habe. Kennt ihr auch Künstlerinnen, Sänger oder Schauspielerinnen, die ihr unbedingt einmal live sehen wollt? Sind es vielleicht solche Orte wie Theater oder Konzerthallen, an denen man „seine“ Stars sehen kann, die es einem erleichtern, in einer Stadt anzukommen? Wie wichtig sind Musik, Kunst und Kultur dabei? Gibt es für euch so einen Ort? Vom Schauspielhaus machen wir uns nun auf den Weg zur vorletzten Station des Audiowalks. Geht dazu am besten über die Lange Reihe. Wir sehen uns vor dem Gebäude vom CVJM wieder!
CVJM
CVJM - „das war immer unsere Anlaufstelle“
Der CVJM Hamburg wurde am 1. Januar 1890 gegründet und hieß zunächst „Christlicher Verein Junger Männer“. Mit seiner Arbeit unterstützte der Verein zunächst junge Männer mit Freizeitangeboten und der Möglichkeit, sich in den Häusern des CVJM auszutauschen. Neben der ursprünglichen Vereinsarbeit wurden nach dem Zweiten Weltkrieg auch Heimkehrer aus dem Krieg und später geflüchtete Menschen zunächst aus der SBZ und dann auch aus der DDR aufgenommen. Dabei reichte die Unterstützung von ersten Übernachtungsmöglichkeiten bis zu regelmäßigen Treffen und gemeinsamen Reisen und Unternehmungen bei sogenannten Gildentreffen. Aber auch bei der Suche nach geeigneten Studienmöglichkeiten oder Arbeitsstellen war der CVJM tätig…
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Wir stehen nun vor dem Gebäude des CVJM an der Alster 40. CVJM ist die Abkürzung für „Christlicher Verein Junger Menschen“. Vielleicht kennt ihr die englische Bezeichnung YMCA? Der CVJM Hamburg wurde am 1. Januar 1890 gegründet und hieß zunächst „Christlicher Verein Junger Männer“. Mit seiner Arbeit unterstützte der Verein vor allem junge Männer mit Freizeitangeboten und der Möglichkeit, sich in den Häusern des CVJM auszutauschen. So konnte man sich zum Beispiel in die Bibliotheken des Vereins zurückziehen, um zu lesen und es gab Räume, in denen man Briefe schreiben konnte. Zudem gab es mehrere Standorte in Hamburg wie in Rothenburgsort, auf der Veddel oder in St. Pauli. Weil die Vereinstätigkeit immer größer wurde, zog der Hauptsitz des CVJM mehrfach innerhalb Hamburgs um. Zuerst hatte er ein Haus am Pferdemarkt, dann an der Esplanade. Am 13. Dezember 1927 wurde das Haus and der Alster eingeweiht. 1939, in der Zeit des Nationalsozialismus, wurde der Christliche Verein Junger Männer zwangsaufgelöst und durfte seine Aktivitäten nicht mehr fortsetzen. Die Wiedereröffnung fand schon bald nach Ende des Zweiten Weltkrieges am 26. Mai 1948 statt – und auch sein Vereinshaus konnte der CVJM wieder nutzen. In der Bundesrepublik weitete der CVJM seine Tätigkeiten weiter aus: Neben der ursprünglichen Vereinsarbeit wurden an der Alster nun auch Heimkehrer aus dem Krieg und geflüchtete Menschen zunächst aus der SBZ und dann auch aus der DDR aufgenommen. Der CVJM unterstützte diese Menschen nicht nur im Vereinshaus an der Alster, sondern auch an anderen Orten in der Stadt – zum Beispiel im Durchgangslager Finkenwerder mit dem uns bereits bekannten „Haus für alle“, das Anfang der 1960er Jahre dort gebaut wurde und vor allem ein Treffpunkt für junge Menschen sein sollte. An den Landungsbrücken haben wir bereits erfahren, dass auch für Manfred E. der Weg vom Schiff zuerst zum CVJM ging, wo er die erste Nacht nach seiner geglückten Flucht in Hamburg verbrachte. Er berichtet uns von seinen ersten Eindrücken des Gebäudes. Audio Manfred E. Während Manfred von der Polizei zum CVJM geschickt wurde, erfuhr Günter von seinem Onkel, der bereits in Hamburg lebte, dass das Haus an der Alster auch für ihn eine Anlaufstelle sein könnte. Audio Günter Direkt hinter dem Hauptgebäude des CVJM befindet sich die Straße „Koppel“. Dort betrieb der Verein das „Haus Sonnenschein“, in dem Günter seine erste Unterkunft fand, bevor es dann für ihn, dank der Unterstützung des Vereins, weiter nach Rahlstedt ging. Audio Günter So freundlich Günter beim CVJM aufgenommen wurde, so sehr kam für ihn dort aber auch zum ersten Mal ein Gefühl von Heimweh auf. Audio Günter Manfred berichtet wie schon Günter davon, dass er beim CVJM freundlich empfangen wurde. Er hatte den Eindruck, dass der Verein auf Menschen, die wie er aus der DDR kamen und alleine waren, gut vorbereitet war. Die Aktiven beim CVJM konnten ihm so auch seine anfängliche Unsicherheit nehmen darüber, was ihn beim Leben im Westen so erwarten würde. In der DDR hatte er darüber nämlich so manches Schauermärchen gehört. Audio Manfred E. Auch Peter verbindet die Zeit des Ankommens in Hamburg mit dem CVJM. Wie wir schon bei der Lettow-Vorbeck-Kaserne von Gitte, Marlen und Manfred erfahren haben, kamen viele Menschen über das Notaufnahmelager Berlin-Marienfelde nach Hamburg. Das war auch 1960 so, als Peter dort aufgenommen wurde. Aus Berlin ging es für ihn nach Hannover und von dort ins Grenzdurchgangslager Friedland bei Göttingen weiter. Das Grenzdurchgangslager Friedland entstand in Folge des Zweiten Weltkrieges und den damit verbundenen Flucht- und Migrationsbewegungen und wird als „Tor zur Freiheit“ bezeichnet. Seit seiner Eröffnung am 20. September 1945 kamen hier immer wieder Menschen an – bis heute. Insgesamt waren schon über viereinhalb Millionen Menschen in Friedland. Heute wird es als Erstaufnahmelager für Asylsuchende genutzt. Zwischen 1960 und 1963 diente Friedland als Aufnahmelager vorwiegend für alleinreisende junge Männern aus der DDR. Einer von ihnen war Peter. Schon während des Aufenthalts in Friedland wurde ihm ein Platz im Jochen-Klepper-Heim in Klein-Flottbek im Westen Hamburgs zugewiesen. Audio Peter Das Jochen-Klepper-Heim wurde vom Beauftragten für Flüchtlingsfragen beim Rat der evangelischen Kirche — Bischof Wester — am 26. März 1958 eingeweiht. In einem Artikel des Hamburger Abendblatts vom 25. März 1958 erklärt Wester den Zweck des Heims: Zitat „Junge Flüchtlinge aus der Zone sollen hier eine erste Heimstatt finden. Die heimatlosen jungen Menschen leben in bitterster Not, solange sie nicht in das Wirtschaftsleben integriert sind“. Heute befindet sich dort, wo das Jochen-Klepper-Heim war, das Jenisch-Gymnasium. An diesem Ort verbirgt sich aber noch eine weitere nahezu unsichtbare Geschichte, denn vorher war hier die „Villa Sechslinden“ des jüdischen Kaufmanns Max Emden. Im Jahr 1935 wurde Max Emden von den Nationalsozialisten gezwungen, die Villa, weitere Immobilien sowie Kunstwerke aus seinem Besitz weit unter dem tatsächlichen Wert zu verkaufen. Nur durch diese unfreiwilligen Verkäufe war es ihm und seiner Familie möglich, in die Schweiz auszuwandern und der drohenden Vernichtung ihrer Existenz zu entkommen. Heute erinnert eine Bronzestatue im botanischen Garten an Max Emden, die ihn sitzend auf einer Parkbank zeigt. Außerdem wurde 2014 ein kleiner Weg direkt durch seinen ehemaligen Besitz nach ihm benannt. Es ist nur bis 1962 nachweisbar, dass es das Jochen Klepper Heim gab. Was danach mit dem Jochen Klepper Heim geschah, ist bis heute noch unbekannt. Peter gibt uns einen Einblick, wie das Gebäude auf ihn im Jahr 1960 wirkte. Audio Peter Von den Unterkünften aus der damaligen Zeit, von denen Peter gerade berichtet hat, ist nichts mehr zu erkennen. Während Peter dort lebte, nahm er einmal in der Woche an den sogenannten Gildentreffen des CVJM teil. Die Jugendarbeit des Vereins war in sogenannte Jugendgilden unterteilt, die nach dem Zweiten Weltkrieg auch für junge Frauen geöffnet wurden. Der folgende Ausschnitt aus dem Hamburger Abendblatt vom 19. Dezember 1959, bezieht sich zwar auf die Gildenarbeit für junge Frauen, fasst aber gleichzeitig die grundsätzliche Ausrichtung der Arbeit mit geflüchteten jungen Menschen aus der DDR zusammen: Zitat „Ziel der Gildenarbeit ist es, alleinstehenden weiblichen Flüchtlingen zwischen 16 und 25 Jahren den Weg in das Alltagsleben der Bundesrepublik zu erleichtern. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt nicht nur in der materiellen, sondern auch in der seelischen Betreuung der Flüchtlingsmädchen, die in einer großen Stadt wie Hamburg oft besonders einsam leben müssen.“ Dies deckt sich auch mit den Erinnerungen Peters. Er hat die Gildentreffen auch heute noch in sehr positiver Erinnerung und die Freundschaften, die er dort schloss, halten teilweise immer noch an. Er erinnert sich, wie die Gilden organisiert waren und ihre Treffen abliefen. Audio Peter Wie wir gerade von Peter gehört haben, war die Gilde nicht nur eine willkommene Abwechslung in der Freizeit. Sie unterstützte ihn auch ganz konkret auf dem Weg zu einem Studienplatz. Ganz ähnlich war es bei Günter, dem der CVJM bei der Vermittlung auf eine Arbeitsstelle zur Seite stand. Audio Günter Wir haben nun viel darüber erfahren, wie der CVJM jungen Männer wie Peter, Manfred und Günter beim Ankommen in Hamburg geholfen hat. Dabei reichte die Unterstützung von ersten Übernachtungsmöglichkeiten bis zu regelmäßigen Treffen und gemeinsamen Reisen und Unternehmungen. Aber auch bei der Suche nach geeigneten Studienmöglichkeiten oder Arbeitsstellen war der CVJM tätig. Diese Art der Hilfe kann eine wichtige Stütze beim Ankommen in einer neuen Stadt sein: Fallen euch heute Organisationen ein, die geflüchtete Menschen unterstützen? Kennt ihr bestimmte Orte, an denen auch langfristig Hilfe angeboten wird? Von der Straße an der Alster führt uns unsere letzte Station nun direkt an die Außenalster, wo unser Audiowalk endet. Geht dazu einfach die Straße runter und über die Ampel bis zur Eisdiele. Ein Stück weiter findet ihr direkt am Wasser Bänke, auf denen ihr euch die letzte Station des Audiowalks anhören könnt.
Alster
Die Alster — „da war ich mittendrin, da war ich Hamburgerin, da war es passiert!“
Am Baumwall finden Alster und Elbe dann zueinander. Begonnen haben wir ganz in der Nähe – an der Elbe, am Platz der Deutschen Einheit. So endet die Tour mit der Verbindung zweier Flüsse, die ineinander übergehen – genau wie die Stationen des Audiowalks und die Geschichten, die wir bis hier hin gehört haben. Manchmal sind es kleine Alltagssituationen, kurze Erinnerungen, Gerüche, einzelne Bilder, bei denen man wie Marlen feststellt: „da war ich Hamburgerin, da war es passiert“. Bei Henriette war es das Hören eines Songs, bei Grit der Geruch des Hauptbahnhofs und bei Marlen das Segeln auf der Alster. Es gibt nicht die eine Erinnerung, es gibt auch nicht die eine Situation, die ein Gefühl von Angekommen-Sein auslöst – es sind die vielen kleinen Ausschnitte aus der eigenen Lebensgeschichte. Orte sind nicht einfach nur Orte. Die Geschichten von Menschen, die zu diesen Orten eine Verbindung haben, machen aus alltäglichen oder unauffälligen Orten besondere Orte...
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Auf insgesamt 5 Touren und 15 Stationen haben wir gemeinsam bereits viele Orte entdeckt und verschiedene Geschichten der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gehört. Hier endet nun der Audiowalk, mit Station 16, an der Alster – ein Ort, den viele Menschen mit Hamburg verbinden. Die Alster ist ein Nebenfluss der Elbe, der im schleswig-holsteinischen Henstedt-Ulzburg, nördlich von Hamburg, seinen Ursprung hat. Nach 56 Kilometern Verlauf wird die Alster zur Außenalster und Binnenalster aufgestaut. Am Baumwall finden Alster und Elbe dann zueinander. Begonnen haben wir ganz in der Nähe – an der Elbe, am Platz der Deutschen Einheit. So endet die Tour mit der Verbindung zweier Flüsse, die ineinander übergehen – genau wie die Stationen des Audiowalks und die Geschichten, die wir gehört haben. Vom Verlauf der Alster ist Manfred E. bis heute fasziniert. Audio Manfred E. Vor allem die vielen Segelboote auf der Alster prägen das Stadtbild und sind weithin sichtbar. Sie sind es auch, die Cornelia bis heute faszinieren. Audio Cornelia Dass das Segeln auf der Alster aber durchaus auch mit schmerzhaften Erinnerungen verbunden sein kann, davon erzählt uns Peter. Audio Peter Im Gegensatz zu Peter war Marlen im Segeln alles andere als unerfahren. Audio Marlen Durch das Segeln auf der Alster hatte Marlen das Gefühl, nun wirklich in Hamburg angekommen zu sein. Audio Marlen Wir haben gerade von dem Moment gehört, in dem Marlen das Gefühl hatte, Hamburgerin zu sein. Manchmal sind es kleine Alltagssituationen, kurze Erinnerungen, Gerüche, einzelne Bilder, bei denen man wie Marlen feststellt: „da war ich Hamburgerin, da war es passiert“. Bei Henriette war es das Hören eines Songs, bei Grit der Geruch des Hauptbahnhofs und bei Marlen das Segeln auf der Alster. Es gibt nicht die eine Erinnerung, es gibt auch nicht die eine Situation, die ein Gefühl von Angekommen-Sein auslöst – es sind die vielen kleinen Ausschnitte aus der eigenen Lebensgeschichte, die wir erinnern. Viele Menschen wie auch die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen fliehen aus den verschiedensten Gründen. Sie tragen, wie wir bereits an den Landungsbrücken gehört haben, zwei oder mehrere Heimaten in sich oder wissen mit dem Begriff gar nichts anzufangen. Wir haben erfahren, dass es beim Ankommen in einer neuen Stadt, vielleicht auch in einem neuen Land, viele kleine Orte, Begegnungen und den Kontakt zu anderen Menschen braucht, die dabei helfen, sich wohl und „heimisch“ zu fühlen. Es kann aber auch ein Gefühl der Fremdheit bleiben, ein Gefühl weder hier noch da dazuzugehören. Wir durften an den Geschichten von Menschen teilhaben, die zu ganz unterschiedlichen Zeiten und auf verschiedenen Wegen aus der DDR nach Hamburg gekommen sind. Ihre Ausgangslagen, der Verlauf ihrer Flucht und ihr Ankommen in Hamburg waren sehr unterschiedlich – es gab es aber auch immer wieder verbindende Momente. Diese Verbindungen können auch an Orten entstehen, die Menschen mit bestimmten Erinnerungen und Emotionen verknüpfen. Es sind Orte, die bis heute Heimweh auslösen können. Orte, die an eine Zeit „davor“ erinnern. Orte, die aber auch für Fernweh oder für Freiheit stehen. Orte, die das Gefühl in einem auslösen, angekommen zu sein. All das haben wir an den 16 Stationen erfahren und miterleben dürfen. Orte sind nicht einfach nur Orte. Die Geschichten von Menschen, die zu diesen Orten eine Verbindung haben, machen aus alltäglichen oder unauffälligen Orten besondere Orte. Sie können etwas Positives auslösen, oder auch mit negativen, vielleicht sogar schmerzhaften Erfahrungen verbunden sein. Wir haben viele Orte erkundet und manche von euch haben einzelne vielleicht wiederentdeckt. Bei jedem noch so touristischen Ort wurden und werden immer auch ganz persönliche Geschichten sichtbar. Diese Geschichten geben den Orten ganz andere, ganz neue Bedeutungen. So wird aus unsichtbaren Orten sichtbare Geschichte. Vielleicht sind für euch aber auch ganz andere Orte wichtig, als sie hier zu hören waren. Was sind eure (un-)sichtbaren Orte? Vielen Dank, dass ihr euch mit uns gemeinsam auf Entdeckungsreise begeben habt!