Landungsbrücken- „sich zuhause fühlen, ob das Heimat ist?“
Die Landungsbrücken: damals wie heute touristisches Highlight. Vielleicht ist das „Tor zu Welt“ an keinem anderen Ort in Hamburg so greifbar wie hier. Meist sind viele Menschen dort, um die Atmosphäre des Hafens zu erleben. Für einige bedeuten die Landungsbrücken aber viel mehr. Sie stehen für Ankunft und Aufbruch, für den schwierigen Umgang mit Heimat und der Frage, ab wann man in einer Stadt angekommen ist. Es geht an dieser Station aber auch um einen geglückten Fluchtversuch...
Weiterführendes Material zur Station hier.
Mit der Linie 62 auf der Elbe - "das Wasser führt immer in die Freiheit irgendwie..."
Die Linie 62 ist eine von vielen Fähren, die seit 1900 täglich hunderte Passagiere über die Elbe an die verschiedensten Ecken der Hansestadt bringen, so auch nach Finkenwerder. Die Elbe erstreckt sich von ihrer Quelle im tschechischen Riesengebirge bis zu ihrer Mündung in Cuxhaven über 1.094 Kilometer. Während der deutsch-deutschen Teilung überwand die Elbe Ländergrenzen, was für viele Menschen aus der DDR nicht möglich war. Der Fluss wurde damit auch zu einem Symbol der Freiheit...
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Finkenwerder - „ein großer Wartesaal zwischen gestern und morgen“
Das Lager am „Neßpriel“ diente seit den 1950er Jahren als Durchgangslager für geflüchtete Menschen. Hier war vorher eine Marinekaserne — die Baracken wurden danach als Erstunterkunft für die Ankommenden genutzt. Platzmangel und die Ungewissheit über die Zukunft prägten das Leben im Lager. Heute finden sich kaum noch Spuren dieses Ortes, der ohne die Erinnerungen und Erzählungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen unsichtbar bliebe...
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Landungsbrücken
Landungsbrücken- „sich zuhause fühlen, ob das Heimat ist?“
Die Landungsbrücken: damals wie heute touristisches Highlight. Vielleicht ist das „Tor zu Welt“ an keinem anderen Ort in Hamburg so greifbar wie hier. Meist sind viele Menschen dort, um die Atmosphäre des Hafens zu erleben. Für einige bedeuten die Landungsbrücken aber viel mehr. Sie stehen für Ankunft und Aufbruch, für den schwierigen Umgang mit Heimat und der Frage, ab wann man in einer Stadt angekommen ist. Es geht an dieser Station aber auch um einen geglückten Fluchtversuch...
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Herzlich Willkommen zu Tour drei des Audiowalks! Schön, dass ihr wieder dabei seid. Die Tour starten wir an den Landungsbrücken, fahren anschließend mit der Linie 62 und enden in Finkenwerder. Wir blicken auf die Elbe und Teile des Hamburger Hafens. An der Elbe beginnt die Geschichte von Manfred E.. Am 22. Januar 1965 stach er mit der MS Halberstadt von Rostock aus in See und kam am nächsten Tag im Hamburger Hafen an. Während seiner Wache in der Nacht vom 23. auf den 24. Januar sprang er kurz von Bord und versteckte sein Gepäck an Land. Am Morgen des 24. Januar verließ er das Schiff zu seinem offiziellen Landgang, holte seine versteckte Tasche, meldete sich im ersten Pförtnerhaus im Hafen und wurde von dort zur Polizei geschickt. Wir hören jetzt Manfred, der uns von seiner Flucht berichtet. Audio Manfred E. Audio Manfred E. Audio Manfred E. Audio Manfred E. Audio Manfred E. Manfred spricht hier zuletzt vom CVJM. Die Abkürzung stand damals für „Christlicher Verein Junger Männer“, eine weitere Hilfsorganisation in Hamburg. Mehr zu diesem Verein werdet ihr auf Tour 5 erfahren. Wie Manfred war auch Eckhard Seemann. Bis zu seiner Inhaftierung arbeitete er als Koch auf einem Schiff, das einige Male in Hamburg anlandete. Mit diesen Erfahrungen im Gepäck schaut Eckhard heute noch auf den Hafen. Audio Eckhard Hamburg und vor allem der Hafen werden oft als das "Tor zur Welt" bezeichnet. Für Manfred E. war Hamburg nicht nur das „Tor zur Welt", sondern auch in ein neues Leben. Auch für seinen Namensvetter Manfred K. steht der Hamburger Hafen für den Wunsch nach einem Neubeginn. Nach seiner Ankunft in Hamburg sah er seine berufliche Zukunft zunächst im Hafen. Audio Manfred K. Dass der Hafen wie kein anderer Ort für Hamburg steht, findet auch Richard. Audio Richard Der Blick auf den Hafen löst bei vielen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen damals wie heute etwas aus. Für Heike, Sebastian und Cornelia vor allem dann, wenn sie in ihre Stadt zurückkehren bzw. nach Hamburg reinfahren. Audio Heike Audio Sebastian und Wolfram Audio Cornelia Auch Peter berichtet von einer nächtlichen Fahrt über die alten Elbbrücken, bei der er das erste Mal das Gefühl hatte, dass Hamburg zu seinem Zuhause geworden ist. Ob das aber Heimat bedeutet, weiß er nicht. Audio Peter Ähnlich geht es Grit und Charlotte, die aber von einem Heimatgefühl sprechen, wenn sie über die alten Elbbrücken nach Hamburg zurückkommen. Audio Grit und Charlotte Für Henriette ist Hamburg zur Heimat geworden, auch wenn sie sehr lange gebraucht hat, um das so wahrzunehmen. Audio Henriette Nicht nur Feste wie der Hafengeburtstag sondern auch Schiffe wie die Rickmer Rickmers, der alte Elbtunnel oder eine Hafenrundfahrt machen die Landungsbrücken zu einem touristischen Highlight. Sie sind bis heute Anziehungspunkt für viele Menschen. So vor allem in ihrer Anfangszeit in Hamburg auch für Cornelia, Ingeborg und Evelin. Audio Cornelia Audio Ingeborg Audio Evelin Für Gitte hat die Faszination für den Hafen, die Elbe und die Landungsbrücken aber nicht unbedingt etwas damit zu tun, dass sie nach Hamburg geflohen ist. Audio Gitte Wir haben jetzt viele Geschichten über die Landungsbrücken und den Hamburger Hafen gehört. Dieser Ort ruft bei den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen unterschiedliche Erinnerungen hervor und versetzt sie in eine ganz besondere Stimmung. So erleben sie das Gefühl von Freiheit und Aufbruch, aber auch das Gefühl, nach Hause zu kommen. Hamburg als „Tor zur Welt“ war und ist für viele ein Sehnsuchtsort, da Häfen schon immer für Ankunft und Aufbruch stehen. Wir haben diese Station mit Manfred E. und seiner Geschichte begonnen und möchten mit ihm enden. Er erzählt uns, warum Hamburg vor allem durch seinen Vater für ihn zu einem Sehnsuchtsort geworden ist. Audio Manfred E. Habt ihr auch einen Sehnsuchtsort, wie Manfred damals? Wann wird für euch ein Ort zu einem Sehnsuchtsort? Wenn ihr bereit seid, setzen wir unsere Audiowalk-Tour fort und nehmen die Fähre zur nächsten Station. Um dorthin zu gelangen, gehen wir zu Brücke 3 und nehmen die Linie 62, von der Evelin gerade schon gesprochen hat. Es gibt noch viel zu sehen und zu hören - die Reise geht weiter! Hier noch ein kleiner Tipp: Falls Ihr einen Tag erwischt, an dem die Fähre besonders voll ist, startet mit den Audios erst ab Övelgönne, weil es dort erfahrungsgemäß leerer wird. Genießt bis dahin die Fahrt auf der Elbe.
Linie 62
Mit der Linie 62 auf der Elbe - "das Wasser führt immer in die Freiheit irgendwie..."
Die Linie 62 ist eine von vielen Fähren, die seit 1900 täglich hunderte Passagiere über die Elbe an die verschiedensten Ecken der Hansestadt bringen, so auch nach Finkenwerder. Die Elbe erstreckt sich von ihrer Quelle im tschechischen Riesengebirge bis zu ihrer Mündung in Cuxhaven über 1.094 Kilometer. Während der deutsch-deutschen Teilung überwand die Elbe Ländergrenzen, was für viele Menschen aus der DDR nicht möglich war. Der Fluss wurde damit auch zu einem Symbol der Freiheit...
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Audio Richard Ahoi an Board der Linie 62, oder wie wir gerade schon von Richard gehört haben, zur wahrscheinlich günstigsten Hafenrundfahrt in Hamburg. Die 62 ist eine von vielen Fähren, die seit 1900 täglich hunderte Passagiere an die verschiedensten Ecken der Hansestadt bringen. Genau wie Richard damals machen wir uns nun gemeinsam auf den Weg die Elbe hinab nach Finkenwerder. Dabei fahren wir auch am Elbstrand vorbei, den Sarah Victoria mit vielen schönen Momenten verbindet. Audio Sarah Victoria Für Henriette ist die Elbe ein beeindruckender Fluss, in dem sie im Gegensatz zu Sarah Victoria jedoch nicht baden gehen würde. Audio Henriette Die Elbe erstreckt sich von ihrer Quelle im tschechischen Riesengebirge bis zu ihrer Mündung in Cuxhaven über 1.094 Kilometer. Während der deutsch-deutschen Teilung überwand die Elbe Ländergrenzen, was für viele Menschen aus der DDR nicht möglich war. Der Fluss wurde damit auch zu einem Symbol der Freiheit — findet auch Charlotte. Audio Grit und Charlotte Ähnlich sieht das auch Marlen. Audio Marlen Marlen hat gerade von der Elbe als Verbindung nach Dresden gesprochen. Für Ingeborg, die in Dresden geboren und aufgewachsen ist, ist diese Verbindung beider Städte besonders wichtig. Audio Ingeborg Für Evelin hat die Elbe trotz ihrer Geschichte als Grenzfluss diesen verbindenden Charakter. Was diese Verbindung mit einem Urlaub in den Bergen auf sich hat, erzählt sie uns jetzt. Audio Evelin Audio Evelin Evelins Verbindung zur Elbe ist besonders emotional. Ganz ähnlich ist es bei Gitte, die den Fluss in erster Linie mit Spaziergängen und ihrem Vater verbindet. Audio Gitte Wie wir bereits an den Landungsbrücken gehört haben, steht für viele der Hafen für ein Gefühl von Heimat. Sebastian hat dieses Gefühl, wenn er an der Elbe spazieren geht. Audio Sebastian Für Grit und Charlotte gehört die Elbe einfach zu Hamburg. Audio Grit und Charlotte Wir haben gerade einiges über die Elbe erfahren und warum sie für viele Menschen eine besondere Bedeutung hat. Sie sehen Freiheit, Heimat, eine Grenze aber vor allem das Verbindende in ihr. Die Elbe steht ebenso für das Ankommen, wie sie auch für Fernweh steht. Und wie sieht es bei euch aus: Was verbindet ihr mit der Elbe? Wir fahren nun schon einige Zeit in Richtung Finkenwerder. Habt ihr ab und zu mal nach rechts geschaut und die prachtvollen Häuser am Elbufer gesehen? Diesen Blick hatten Marlen und ihr Vater schon in den 1950er Jahren auf ihrem täglichen Weg von Finkenwerder zu Schule und Arbeit. Von dieser Erinnerung berichtet Marlen jetzt. Audio Marlen Warum diese Strecke für Marlen eine ganz besondere Bedeutung hatte, erfahren wir bei der nächsten Station, wenn sie uns von ihrem Leben im Durchgangslager Finkenwerder erzählt.
Finkenwerder
Finkenwerder - „ein großer Wartesaal zwischen gestern und morgen“
Das Lager am „Neßpriel“ diente seit den 1950er Jahren als Durchgangslager für geflüchtete Menschen. Hier war vorher eine Marinekaserne — die Baracken wurden danach als Erstunterkunft für die Ankommenden genutzt. Platzmangel und die Ungewissheit über die Zukunft prägten das Leben im Lager. Heute finden sich kaum noch Spuren dieses Ortes, der ohne die Erinnerungen und Erzählungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen unsichtbar bliebe...
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„Finkenwerder ist wie ein großer Wartesaal zwischen gestern und morgen. Dort warten Rücksiedler aus den polnisch besetzen Gebieten, Flüchtlinge aus der Ostzone und eben die Ungarn“, schreibt das Hamburger Abendblatt in seiner Ausgabe vom 1. und 2. September 1956 über das Lager „Neßpriel“. Es diente seit den 1950er Jahren als Durchgangslager für geflüchtete Menschen. Hier war vorher eine Marinekaserne — die Baracken wurden danach als Erstunterkunft für die Ankommenden genutzt. Platzmangel und die Ungewissheit über die Zukunft prägten das Leben im Lager. Heute finden sich kaum noch Spuren dieses Ortes, der ohne die Erinnerungen und Erzählungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen unsichtbar bliebe. Kennen wir aber ihre Geschichten, dann führt der Steg vor uns nicht einfach nur zur Marina und den dort ankernden Segelbooten, sondern wir erkennen ihn als ehemaligen Fähranleger des Durchgangslagers Finkenwerder. Wir haben die Geschichten des Ankommens von Marlen und Manfred K. bereits in der Lettow-Vorbeck-Kaserne gehört und begleiten die beiden nun in ihr alltägliches Leben in Finkenwerder im Jahr 1955. Beginnen wir mit ihrem täglichen Weg zu Schule und Arbeit, der genau von diesem Anleger ausgeht. Von hier aus konnten die Bewohnerinnen und Bewohner des Lagers jeden Morgen mit der Fähre nach Teufelsbrück fahren. Weiter ging es dann mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu ihren Arbeitsplätzen und Schulen nördlich der Elbe. Diesen zusätzlichen Fähranleger nach Teufelsbrück gibt es heute nicht mehr. Wie wir schon an der Lettow-Vorbeck-Kaserne erfahren haben, gingen Marlen und ihr Bruder Hans auf die Boveschule. Dies änderte sich auch dann nicht, als sie im Durchgangslager Finkenwerder unterkamen. Von jetzt an mussten die beiden über eineinhalb Stunden quer durch die Stadt zur Schule fahren. Ihr Schulweg begann hier am Anleger. In einem Schulaufsatz fasste Marlens Bruder Hans auf über 80 Seiten seine Kindheit und die Flucht der Familie zusammen. Dabei beschrieb er auch die Schulsituation und den Weg nach Wandsbek: Zitat „Von der Fähre war alles abhängig; wenn Nebel über der Elbe lag, fuhr sie eben nicht, und wir konnten wieder schlafen gehen. Um sechs Uhr mussten wir also schon an der Anlegebrücke sein, um zur rechten Zeit die Schule in Wandsbek zu erreichen; sie begann um 7.45 Uhr. Wir wollten uns nicht extra von der dortigen Schule abmelden, denn später, wenn wir endgültig unseren zukünftigen Wohnsitz erfahren hatten, müßten wir sowieso die Schule wechseln. Außerdem waren wir in sehr guten Klassen untergekommen.“ Marlen erzählt uns nun von diesem täglichen und beschwerlichen Weg zur Schule. Audio Marlen Audio Marlen Auch Manfred und sein Vater fuhren jeden Tag über Teufelsbrück zur Arbeit. Audio Manfred K. Aber warum waren Marlen und Manfred überhaupt in Finkenwerder untergebracht? Das lag vor allem daran, dass es in Hamburg damals zu wenig Platz gab und viele, vor allem auch geflüchtete Menschen, nicht sofort in eine eigene Wohnung ziehen konnten. Sie kamen deshalb für mehrere Monate – manchmal sogar Jahre – in Durchgangslagern unter, bis sie eine eigene Wohnung beziehen konnten. Das Lager in Finkenwerder war dabei wie die Lettow-Vorbeck-Kaserne ein zentraler Ort des Ankommens in Hamburg. Auch weitere Kasernen wurden genutzt, um Menschen unterzubringen: so zum Beispiel die Viktoria-Kaserne in Altona. Kasernen eigneten sich deshalb besonders gut, weil man sie relativ schnell und ohne allzu großen Aufwand so umgestalten konnte, dass Menschen dort wohnen konnten. Während die Lettow-Vorbeck-Kaserne nur der Zwischenstopp für die Menschen war, die nach NRW sollten, kamen diejenigen nach Finkenwerder, die auch tatsächlich in Hamburg bleiben durften. Marlen und Manfred gehörten zu jenen Menschen, die dem Lager nicht direkt zugewiesen wurden, sondern erst über den Nachweis einer Arbeitsstelle in Hamburg bleiben konnten. So kam Manfred nach Finkenwerder, weil er eine Lehrstelle angetreten hatte und Marlen wegen des Jobs ihres Vaters. Audio Manfred K. Audio Marlen Das Durchgangslager in Finkenwerder wurde ab 1953 auf dem Gelände einer ehemaligen Marinekaserne auf- und immer weiter ausgebaut. Von Anfang an mangelte es an Platz. Das Lager befand sich auf der sogenannten Rüschhalbinsel direkt am Rüschkanal. Ab Sommer 1954 wurden dort Geflüchtete untergebracht. Bereits bei der Lettow-Vorbeck-Kaserne haben wir vom Volksaufstand in der DDR 1953 gehört. Dieser und der drohende Mauerbau im Jahr 1961 sorgten für eine große Fluchtbewegung aus der DDR in die Bundesrepublik. Hinzu kamen Geflüchtete und Heimatvertriebene wie zum Beispiel aus dem damaligen Jugoslawien, von denen wir bereits bei der Lettow-Vorbeck-Kaserne gehört haben. Somit war das Durchgangslager in Finkenwerder über die Jahre immer wieder Spiegel politischer Ereignisse. Wie in der DDR 1953 gab es auch in Ungarn 1956 und in der damaligen Tschechoslowakei 1968 Aufstände. Sie begannen als friedliche Demonstrationen für demokratische Verhältnisse und wurden gewaltsam niedergeschlagen. Die Folge waren Fluchtbewegungen, die viele Menschen aus unterschiedlichen Ländern auch nach Finkenwerder brachten. Manfred erinnert sich an seine Zeit und die Stimmung im Lager. Audio Manfred K. Manfred und Marlen waren den wenigen Platz aus der Lettow-Vorbeck-Kaserne bereits gewohnt. Marlen beschreibt das Leben in Finkenwerder und die Enge der Zimmer. Audio Marlen Trotz dieser Voraussetzungen berichtet Manfred von einer angenehmen Zeit im Lager. Diesmal ergriff er selbst die Initiative und gründete in seiner Freizeit eine Schauspielgruppe. Audio Manfred K. Das Leben in Finkenwerder unterschied sich für Marlen sehr von ihrer Anfangszeit in der Lettow-Vorbeck-Kaserne. Nicht nur der Stadtteil Finkenwerder gefiel ihr, das tägliche Erleben der Elbe und der Schiffbau haben sie besonders berührt. Audio Marlen Das Lager wurde stetig durch Flachbauten erweitert. Die Neugestaltung umfasste nicht nur die Baracken für die Unterbringung von Menschen, sondern auch Räume, die den Lageralltag erleichtern sollten. Neben einer Lagerschule und der Lagerseelsorge gab es auch eine Mütterberatung. Kurz vor Weihnachten im Jahr 1959 wurde auch ein neuer Gemeinschaftsraum mit Küche im ehemaligen Turnhallengebäude eröffnet. Wie die Lettow-Vorbeck-Kaserne wurde auch das Durchgangslager Finkenwerder durch Spenden und Hilfsprogramme unterstützt. In dem Zuge wurde der Gemeinschaftsraum von Axel Springer und der Shell AG finanziert. Kurz vor dem Mauerbau am 13. August 1961 kamen wieder viele Menschen aus der DDR nach Finkenwerder und der Platzmangel verschärfte sich. Das Hamburger Abendblatt kommentierte die Enge im Lager in seiner Ausgabe vom 25. Juli 1961: Zitat „Hamburg ist nicht arm. Warum also hilft man nicht? Oder liegt es daran, daß sich heute keiner mehr vorstellen kann, was es heißt, Flüchtling zu sein?“ Im gleichen Jahr plante der uns bereits von den Landungsbrücken bekannte CVJM im Jahr 1961 einen Ort für Jugendliche im Lager und nannte ihn „Haus für alle“. Dass solche Projekte aber nichts an dem Platzmangel änderten, zeigt ein Artikel aus dem Hamburger Abendblatt vom 18. Februar 1972, der die Situation wie folgt beschrieb: „Ein anderes trübes Kapitel: das Haus der Jugend. Obwohl im Lager 650 Kinder und Jugendliche sind, kann es höchstens 70 Personen aufnehmen. Seit der Flutkatastrophe vor zehn Jahren ist das Gebäude beschädigt.“ Die Flutkatastrophe im Jahr 1962 sorgte dann auch noch dafür, dass große Teile des Lagers zeitweise unbewohnbar waren und noch mehr Menschen auf engem Raum zusammenleben mussten. Auch obdachlose Menschen fanden in Finkenwerder eine Unterkunft. Alle Hilfs- und Baumaßnahmen änderten nichts an der dauerhaften Überbelegung, nicht nur in den 1950er Jahren, sondern über die gesamte Zeit. Dass dieses Zusammenleben den Bewohnerinnen und Bewohnern zunehmend und teilweise mit weitreichenden Folgen zusetzte, zeigen unter anderem Polizeiberichte aus den 1960ern. So kam es innerhalb des Lagers zu sechs Selbsttötungen in einem Zeitraum von acht Monaten, wie aus einer Statistik aus dem Jahr 1967 hervorgeht. Bis zur Schließung nach einer weiteren Sturmflut im Jahr 1976 lebten im Durchgangslager Finkenwerder über 24.000 Menschen aus verschiedenen Ländern. Wir haben von Marlen und Manfred gehört, wie das Lagerleben in den 1950er Jahren aussah. Sie haben die Enge zwar wahrgenommen, berichteten aber auch von einer Verbesserung der Lebenssituation im Vergleich zur Lettow-Vorbeck-Kaserne. Zudem haben wir erfahren, wie sich die Lage im Durchgangslager Finkenwerder trotz aller Bemühungen und Hilfsangebote über die Jahre verschlechtert hat. Vor allem die Enge und die Widrigkeiten des Zusammenlebens waren immer wieder Gegenstand von Berichterstattung. Zwei Zitate aus dem Hamburger Abendblatt von 1956 fassen diese Situation in Finkenwerder noch einmal zusammen. Zitat „Das Lager in Finkenwerder liegt für viele von uns sehr abseits unserer eigenen Welt. Aber man sollte sich gelegentlich daran erinnern. Gerade jetzt. Denn auch in nächster Zeit wird man unsere Hilfe brauchen.“ Das Abendblatt schreibt weiter: „Es ist Fluch und Tragik unseres Jahrhunderts: Immer sind Menschen auf der Flucht. Und es ist ein Gebot der Menschlichkeit, jenen die helfende Hand und ein Dach zu bieten, die Not und Angst von zu Hause vertrieb.“ Diese Sätze könnten auch heute noch in der Zeitung stehen, findet ihr nicht auch? Auch vor und nach dem Mauerfall 1989 war die Unterbringung von geflüchteten Menschen in Hamburg ein Thema. Weil dort immer noch Platzmangel herrschte, wurden diese Mal nicht nur Kasernen, sondern auch Schiffe zur Unterbringung der Menschen genutzt. Auch Sarah Victoria lebte auf solch einem Schiff. Wir begeben uns nun von einem Ort des Ankommens in den 1950ern zu einem weiteren des Jahres 1989: Der Casa Marina. Macht euch nun auf den Weg zurück zur Fährlinie 62 und fahrt mit ihr bis zum Anleger Dockland (Fischereihafen).